Professor Dr. Martin Schwab

Erben müssen zahlen, obwohl das Gesetz den Staat in die Pflicht nimmt – Anmerkung zu LG Köln vom 30. 3. 2010 – 1 T 4/10

Ein Mensch, der unter Betreuung steht, verstirbt. Seine Kinder verwenden das gesamte Erbe für die Beerdigung. Der Betreuer verlangt deshalb seinen Lohn von der Staatskasse. Nach der Entscheidung des Landgerichts hätte dieser Lohn aber vom Erbe bezahlt werden können. Denn die Beerdigung hätten die Kinder, so das Gericht, aus eigener Tasche bezahlen müssen. Der Anspruch des Betreuers gegen die Staatskasse bestehe daher nicht. Das Gesetz sieht es jedoch eindeutig anders.

Was ist passiert? Der spätere Beschwerdeführer war für den Zeitraum vom 16. 9. 2008 bis 15. 1. 2009 Betreuer einer Person, die sodann am 16. 1. 2009 verstarb. Der Verstorbene wurde von seinen Kindern beerbt. Auf Antrag des Betreuers vom 17. 1. 2009 setzte das Betreuungsgericht die Vergütung des Betreuers durch Beschluß vom 20. 3. 2009 fest und zwar mit einem Betrag von 792,00 €. Als der Betreuer diese Vergütung auf der Grundlage dieses Beschlusses aus dem Bankkonto des Verstorbenen entnehmen wollte, war dieses bereits aufgelöst und das Guthaben (5.956,98 €) vollständig für die Bestattung des Verstorbenen verwendet worden. Der Verstorbene hatte zudem mehr Rente bezogen, als ihm zustand; sein Nachlaß war daher mit der Verpflichtung belastet, die Überzahlung in Höhe von 2.266,50 € zurückzuerstatten. Der Betreuer stellte sich daher auf den Standpunkt, der Nachlaß des Verstorbenen sei mittellos, und beantragte im jetzigen Verfahren, daß seine Vergütung aus der Staatskasse bezahlt werde.

Wie hat das Gericht entschieden? Das Amtsgericht Köln hatte diesen Antrag zurückgewiesen, und auch die Beschwerde des Betreuers beim Landgericht Köln hatte keinen Erfolg. Das Amtsgericht Köln hatte ausgeführt, das Guthaben des Verstorbenen habe selbst nach Abzug der zuviel gezahlten Rente und eines Freibetrags, der den Erben zustehe, ausgereicht, um die Vergütung des Betreuers zu bedienen. Die Beerdigungskosten seien hier nicht von Bedeutung; denn diese hätten die Erben nicht bloß aus dem Nachlaß des Verstorbenen, sondern nach den Vorschriften des Unterhaltsrechts auch aus ihrem eigenen Vermögen zu bestreiten. Dem folgte das Landgericht Köln in allen Punkten.

Warum handelt es sich um eine Fehlentscheidung? Der Betreuer begehrte die Festsetzung der Vergütung für seine Tätigkeit auf der Rechtsgrundlage des § 1908i Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1835 Abs. 4 BGB sowie des § 1 Abs. 2 Satz 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG). Das Gesetz sieht für derartige Festsetzungen ein eigenes Verfahren vor, nämlich in § 168 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vor. Als das vorliegende Verfahren anhängig wurde, war das FamFG noch nicht in Kraft getreten; ein entsprechendes Verfahren war aber im früheren § 56g des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) vorgesehen gewesen. Dieses Verfahren findet nicht nur statt, wenn der Betreuer seine Vergütung gegenüber dem Betreuten, sondern ebenso, wenn er seine Vergütung gegenüber der Staatskasse festgesetzt wissen will[1].

Nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1835 Abs. 4 BGB und § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG haftet die Staatskasse für die Vergütung des Betreuers, wenn der Betreute „mittellos“ ist. Wann der Betreute „mittellos“ ist, ist wiederum in §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836d BGB geregelt: Der Betreute ist mittellos, wenn er die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen nicht oder nur zum Teil oder in Raten oder nur durch gerichtliche Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufbringen kann. Nun konnte es im hier gegebenen Fall nicht mehr um die Mittellosigkeit des Betreuten selbst gehen; denn der Betreute war verstorben. In einem solchen Fall kommt es darauf an, ob der Nachlaß des Betreuten „mittellos“ ist[2]. Das Merkmal „mittellos“ war Dreh- und Angelpunkt für die Entscheidung des vorliegenden Falles. Denn der Betreuer hatte seine Ansicht, die Staatskasse müsse für seine Vergütung aufkommen, damit begründet, daß aus dem Nachlaß des Verstorbenen nichts mehr zu holen sei.

Das Amtsgericht Köln und später auch das Landgericht Köln vollzogen bei der Beantwortung der Frage, ob der Nachlaß „mittellos“ ist, zunächst zwei gedankliche Schritte, an denen überhaupt nichts auszusetzen ist:

–       Zunächst zogen sie von den 5.956,98 €, die auf dem Bankkonto vorhanden waren, ein sogenanntes Schonvermögen ab. Dieses Schonvermögen bezeichnet jenen Teil des Nachlasses, den die Erben nach gesetzlicher Wertung (§ 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB in Verbindung mit § 102 Abs. 3 und 4 SGB XII) nicht für die Vergütung des Betreuers einsetzen müssen. Sofern es also um die Frage geht, ob die Erben des Verstorbenen dessen Betreuer bezahlen müssen oder ob statt dessen hilfsweise die Staatskasse dafür einstehen muß, wird dieser Teil des Nachlasses – dieses Schonvermögen – so behandelt, als wäre es nicht vorhanden.

–       Sodann zogen sie die Schulden ab, mit denen der Nachlaß belastet war – nämlich die Schulden, die daraus resultierten, daß der Verstorbene vor seinem Tod zu viel Rente bezogen hatte und diese nunmehr zurückzahlen mußte. Auch das ist zutreffend: Ob der Nachlaß mittellos ist, richtet sich nicht nur danach, welche Vermögenswerte, sondern auch danach, welche Schulden vorhanden sind[3]. Würde man die Schulden nicht abziehen, so könnte es passieren, daß die Erben den Betreuer letztlich aus eigener Tasche bezahlen müssen – dann nämlich, wenn die Schulden so hoch sind, daß das ererbte Vermögen gerade eben ausreicht, um sie zu bedienen. Nun will das Gesetz aber gerade nicht, daß die Erben den Betreuer aus eigener Tasche bezahlen. Die Erben sollen nur diejenigen Mittel einsetzen müssen, die aus dem Vermögen stammen, das sie vom Betreuten geerbt haben.

Bis dahin war also in beiden Entscheidungen alles in Ordnung.

Nun gelangten beide Gerichte zu folgendem Ergebnis: Ziehe man von einem Guthaben in Höhe von 5.956,98 € ein Schonvermögen von 2.106,00 € und Schulden in Höhe von 2.266,50 € ab, so verbleibe ein Betrag von 1.584,48 €. Dieser Betrag genüge, um die festgesetzte Vergütung des Betreuers in Höhe von 792,00 € zu bezahlen. Deshalb sei der Nachlaß nicht „mittellos“, und die Staatskasse müsse nicht für die Vergütung des Betreuers aufkommen. Die beiden Gerichte gelangten zu diesem Ergebnis deshalb, weil sie sich weigerten, die Kosten für die Beerdigung des Betreuten ebenfalls von dem vorhandenen Bankguthaben abzuziehen. Und genau an dieser Stelle liegt der Fehler der Entscheidung. Denn beide Gerichte hätten die Beerdigungskosten zwingend abziehen müssen. Hätten sie dies getan, so hätten sie zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß der Nachlaß mittellos ist und daher die Staatskasse für die Vergütung des Betreuers haftet. Dies bedarf der Erläuterung:

Wenn jemand stirbt, verschlingt die Beerdigung beträchtliche Kosten. Das Gesetz muß also eine Antwort auf die Frage bereithalten, wer für diese Kosten aufkommen muß. Und diese Antwort findet sich an zwei Stellen im BGB:

–       Blicken wir zuerst ins Erbrecht. Nach § 1968 Abs. 1 BGB trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Anders ausgedrückt: Wer erbt, zahlt auch die Beerdigung dessen, von dem er erbt.

–       Aber auch die Vorschriften des Familienrechts enthalten eine Regelung über die Beerdigungskosten. Der Zugang hierzu bedarf einer etwas ausführlicheren Erklärung: Nach § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie einander zum Unterhalt verpflichtet. Verwandte in gerader Linie sind nach § 1589 Satz 1 BGB Personen, deren eine von der anderen abstammt, also Eltern, Kinder, Enkelkinder etc.; die wichtigste praktische Bedeutung hat die Unterhaltspflicht im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Jene Unterhaltspflicht besagt zunächst, daß die Eltern ihren Kindern geben müssen, was sie zum Leben brauchen. Die Pflicht zum Unterhalt kann sich aber auch in die gegenteilige Richtung auswirken, etwa wenn die Eltern nicht mehr arbeiten können und die Kinder sie daher von ihrem Einkommen ernähren müssen. In diesem Zusammenhang bestimmt nun § 1615 Abs. 2 BGB, daß derjenige, der nach § 1601 BGB Unterhalt schuldet, auch die Kosten der Beerdigung zu tragen hat, wenn der Unterhaltsberechtigte verstirbt.

Ohne § 1615 Abs. 2 BGB ausdrücklich zu nennen, haben sich sowohl das Amtsgericht Köln als auch das Landgericht Köln auf eben diese Vorschrift berufen. Sie haben argumentiert: Die Erben seien zugleich die Kinder des Verstorbenen. Deshalb hätten sie die Beerdigung ohnehin aus eigener Tasche bezahlen müssen und dürften die Kosten daher nicht vom Wert des Nachlasses abziehen. Das bedeute wiederum, daß der Wert des Nachlasses die Vergütung des Betreuers ausreiche und dieser folglich keinen Anspruch gegen die Staatskasse geltend machen könne.

Nun deutet gerade der Umstand, daß weder das Amtsgericht Köln noch das Landgericht Köln § 1615 Abs. 2 BGB zitiert haben, darauf hin, daß beide Gerichte sich nicht die Mühe gemacht haben, die Vorschrift zu lesen. Hätten sie dies getan, so hätte ihnen auffallen müssen, daß die Vorschrift nur ersatzweise eingreift. Wörtlich heißt es in § 1615 Abs. 2 BGB: „Im Falle des Todes des Berechtigten hat der Verpflichtete die Kosten der Beerdigung zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht von dem Erben zu erlangen ist.“ Das heißt: In erster Linie ist es die Aufgabe des Erben, die Beerdigung des Verstorbenen zu bezahlen; erst wenn beim Erben nichts zu holen ist, müssen die zum Unterhalt verpflichteten Verwandten für die Beisetzung aufkommen. Die Haftung der Erben hat Vorrang vor der Haftung der Verwandten [4]. Nun war der vorliegende Fall durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß die Erben mit den unterhaltspflichtigen Verwandten personenidentisch waren: Die Erben waren die Kinder des Verstorbenen. Für diese Fälle kann man § 1615 Abs. 2 BGB nur in dem folgenden Sinne deuten: Die Kinder des Verstorbenen dürfen zuerst das ererbte Vermögen für die Beerdigungskosten heranziehen; nur im Notfall müssen sie die Beerdigung aus eigener Tasche, sprich: aus ihrem Eigenvermögen begleichen, jenem Vermögen also, das sie schon vor dem Erbfall innehatten. Das wiederum bedeutet: Wenn es darum geht, die Frage zu beantworten, ob der Nachlaß im Sinne der §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1835 Abs. 4 BGB bzw. des § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG „mittellos“ ist, mindern die Kosten der Beerdigung des Betreuten den Wert von dessen Nachlaß. Daran vermag der Umstand, daß die Erben zugleich die unterhaltspflichtigen Kinder des Betreuten sind, nichts zu ändern. Das Amtsgericht Köln und das Landgericht Köln hätten mithin von dem Bankguthaben, das ihr Vater hinterlassen hatte, nicht bloß die Schulden (überzahlte Rente, siehe oben) und den Freibetrag (sog. Schonvermögen, siehe ebenfalls oben), sondern ebenso die Kosten der Beerdigung abziehen müssen. Berücksichtigte man die Beerdigungskosten, so war der Nachlaß des Verstorbenen „mittellos“, und der Betreuer hatte das Recht, seinen Anspruch auf Vergütung gegenüber der Staatskasse geltend zu machen.

Warum handelt es sich um ein krasses Fehlurteil? Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Die Gerichte können diese Bindung nur dann einhalten, wenn sie das Gesetz zur Kenntnis nehmen. Nun ist eines zuzugeben: Es existiert mittlerweile eine so reiche Fülle an Rechtsvorschriften, daß man es einem Gericht nicht ohne weiteres übel nehmen kann, wenn es einmal eine Norm übersieht, die an sich einschlägig gewesen wäre. Der vorliegende Fall liegt jedoch anders. Das Amtsgericht Köln und das Landgericht Köln haben gewußt, daß es im Unterhaltsrecht eine Vorschrift gibt (nämlich § 1615 Abs. 2 BGB), der die Pflicht der Kinder regelt, die Beerdigung ihrer Eltern zu bezahlen. Beide Gerichte waren aber zu bequem, diese Vorschrift aufzuschlagen und nachzulesen, was in ihr geschrieben steht. Beide Gerichte haben sich mithin geweigert, das Gesetz, an das sie gebunden sind, zur Kenntnis zu nehmen. Hätten die Gerichte sich die Mühe gemacht, § 1615 Abs. 2 BGB zu lesen, hätten sie ohne Schwierigkeiten erkannt, daß die Ansicht, die sie ihren Entscheidungen zugrunde gelegt haben, nicht haltbar ist. Überspitzt könnte man formulieren: Wer lesen kann (bzw. will), ist klar im Vorteil!

ENTSCHEIDUNG DES LG Köln IM ORIGINAL


[1] Zorn, in: Bork/Jacoby/D. Schwab, FamFG, 1. Aufl. 2009, § 168 Rn. 17.

[2] Wagenitz, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2008, § 1836d Rn. 9.

[3] Wagenitz, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1836d Rn. 9.

[4] Saathoff, in: Nomos Kommentar BGB, 2. Aufl. 2010, § 1615 Rn. 2.

10 Reaktionen zu “Erben müssen zahlen, obwohl das Gesetz den Staat in die Pflicht nimmt – Anmerkung zu LG Köln vom 30. 3. 2010 – 1 T 4/10”

  • rasmus
    Am 9. September 2012 um 17:45 Uhr

Sehr geehrte Herr Prof. Schwab,
wer im Glashaus, sollte mit Steinen vorsichtig umgehen. Und die Lesekompetenz eines Gerichts in Frage zu stellen, ist schon ein ziemlich großer Stein.
Nach meiner zugegebenermaßen nicht von besonderen familien- und erbrechtlichen Kenntnissen geprägten Einschätzung ist weder das von Ihnen für richtig gehaltene Ergebnis plausibel, noch mit normaler Lesekompetenz aus dem Gesetz herzuleiten.
Ihre Auffassung zum Abzug der Beerdigungskosten führt faktisch dazu, dass die Erben mit ihrer Entscheidung über den Bestattungsaufwand auch darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang die Staatskasse die Betreuungs(!)kosten tragen muss. Je teurer die Bestattung, desto höher der der Beitrag des Staates. Man muss nicht einmal lesen können, um zu merken, dass hier etwas faul ist. Man muss nur nachdenken, und das haben die Richter in Köln getan. Wirtschaftlich führt der Abzug der Bestattungskosten dazu, dass der Staat über die Betreuungskosten die Beerdigung mitfinanziert. Und die §§ 1968 und 1615 II BGB zeigen, dass gerade das nicht passieren soll. Die Erben können sich nicht darauf berufen, dass der Nachlass nicht ausreicht und wenn die Erben selbst nichts haben, sind die Unterhaltspflichtigen dran. Nur wenn auch diese mittellos sind, kommt der Staat ins Spiel. Und es wäre schon seltsam, wenn man diese gesetzliche Rangfolge über die „Betreuungskosten“ aushebeln könnte. Lediglich darauf hat das gescholtene Gericht zu Recht hingewiesen und die Begründung impliziert, dass sich die Richter über die Rangfolge der Vorschriften und damit auf über die Formulierung „soweit ihre Bezahlung nicht von den Erben zu erlangen ist“ klar waren.
Das Ergebnis der Kölner Gerichte lässt sich mit ein wenig Lese- und juristischer Kompetenz auch den Vorschriften über die Erbenhaftung entnehmen
Ausgangspunkt Ihrer Kritik ist die These, die Erbenhaftung für Betreuerkosten sei nach dem Willen des Gesetzes auf den Nachlass beschränkt. Dies entnehmen Sie offensichtlich § 1836e I 3 BGB. Wer lesen kann und will, stellt beim Nachschlagen schon bei der amtlichen Überschrift fest, dass hier lediglich eine Haftungsbeschränkung gegenüber der Staatskasse geregelt ist.
Denkbar wäre natürlich eine analoge Anwendung, die allerdings neben der Lesekompetenz juristische Kompetenz voraussetzt, denn wer sich über den Wortlaut hinwegsetzen will, muss dies juristisch überzeugend rechtfertigen. Darauf verzichten Sie aber leichtfertig, vielleicht weil in den Kommentaren steht, die Vorschrift sei analog anzuwenden, wenn der Erbe nach dem Tod des Betreuten unmittelbar auf noch nicht festgesetzte Kosten in Anspruch genommen wird. Doch wie schon Studenten wissen sollten, ersetzt ein Zitat weder ein Argument, noch das eigene Denken. Und wer ein Zitat nicht in den Kontext einordnet, gerät auch schnell auf den Holzweg. Aber als Professor sollten Sie wissen, dass eine Analogie eine vergleichbare Situation voraussetzt. Eine vergleichbare Situation ist nur gegeben, wenn die Vergütung zu Lebzeiten des Erblassers gegen die Staatskasse hätte festgesetzt werden können, denn nur in diesem Fall wäre es überhaupt zu einem Anspruchsübergang gekommen. Hier leuchtet die Analogie auch unmittelbar ein, denn es sollte keinen Unterschied machen, ob die Vergütung zufällig am letzen Lebenstag des Betreuten von der Staatskasse festgesetzt und beglichen, oder der Antrag erst einen Tag später bearbeitet wird. Hier kann sich der Staat nicht wegen eines zufälligen Todes- bzw. Bearbeitungsdatums zu Lasten der Erben mit dem Argument aus der Verantwortung stehlen, jetzt gäbe es einen solventen Erben. Im ungekehrten Fall, wenn der Betreuer wegen fehlender Mittellosigkeit des Betreuten den Staat niemals hätte in Anspruch nehmen und es folglich auch nie zu einem Anspruchsübergang hätte kommen können, gibt es jedoch keinen Grund, weshalb nur wegen eines zufälligen Todesdatums plötzlich der Staat den Erben entlasten sollte.
Hier hätte der Staat zu Lebzeiten des Betreuten nicht zahlen müssen, denn das Vermögen reichte auch unter Berücksichtigung des Schonvermögens und der Rentenschulden zur Begleichung der Betreuungskosten aus. Die eigenen Beerdigungskosten kann ein Lebender ja schlecht geltend machen.
Wer lesen kann und will, kann die grundsätzliche Nichtberücksichtigung der Beerdigungskosten beim Regress auch unmittelbar aus dem Wortlaut des § 1836e I 2 BGB entnehmen, denn anders als beispielsweise in § 1975 BGB ist die Haftung hier nicht auf „den Nachlass“, sondern auf dessen „Wert im Zeitpunkt des Erbfalls“ beschränkt, und zu diesem Zeitpunkt sind noch keine Beerdigungskosten entstanden, die den Wert mindern.
Es wäre schön, wenn Sie in Zukunft vor einer so harschen Kritik genauer lesen und nachdenken würden, sonst wird das hier zu „Watchtheprof“. Erste Ansätze sehe ich in den Kommentaren.
Und die Kölner Richter haben eine Entschuldigung verdient.
Mit freundlichen Grüßen
Rasmus

  • Keller
    Am 23. September 2012 um 16:05 Uhr

Sehr geehrter Herr Professor Schwab,

sicherlich ist Ihre Rechtsauffassung gut vertretbar. Dass man auch mit guten Gründen das Gegenteil vertreten kann, zeigt Kommentar Nr. 1. Weshalb Sie nicht eine „normale“, kritische Urteilsbesprechung hier oder in einer Fachzeitschrift veröffentlichen, sondern stattdessen mit der völlig überzogenen „Skandal“-Keule kommen, bleibt wohl Ihr Geheimnis. Wenn Udo Vetter & Co. draufhauen – geschenkt. Von einem Universitätsprofessor darf man aber wohl mehr Zurückhaltung erwarten.

Herzliche Grüße
Keller

  • Univ.-Prof. Dr. Martin Schwab
    Am 1. Oktober 2012 um 15:19 Uhr

Sehr geehrter Einsender Rasmus,

Erlauben Sie mir, zunächst auf den vorletzten Absatz Ihres Beitrags einzugehen: „sonst wird das hier zu watchtheprof“. Ihre Vision ist längst Wirklichkeit: Diese Seite ist längst auch eine Art „watchtheprof“. Sie ist es deshalb, weil ich auf dieser Seite Gelegenheit gebe, die Urteile und meine Stellungnahmen zu kommentieren. Als ich das Projekt angestoßen habe, habe ich mit Widerspruch gerechnet. Ich habe auch mit scharfem Widerspruch gerechnet. Aber ich bin bereit, mich dieser Kritik zu stellen. Ich erwarte allerdings die gleiche Bereitschaft auch von unserer Justiz.
Wenn ich mich der Kritik stelle, heißt dies freilich noch nicht, daß mich die Kritik auch überzeugt.
Ihre Kritik überzeugt mich jedenfalls nicht:

1. Mit meiner zentralen These, daß das LG Köln den Nachrang der unterhaltsrechtlichen gegenüber der erbrechtlichen Haftung für die Kosten der Bestattung leichtfertig übergangen hat, setzen Sie sich so gut wie gar nicht auseinander. Sie liefern in diesem Zusammenhang lediglich eine rechtsökonomische Überlegung: Die Erben sollen es nicht in der Hand haben, die Beerdigungskosten und damit den Beitrag der Staatskasse zu steuern. Der Staat soll, so schreiben Sie, nicht über die Beerdigungskosten die Betreuung mitfinanzieren. Diese Überlegung läßt sich im Ansatz durchaus hören, kann aber die Gesetzesauslegung nur beeinflussen, wenn sie sich auf Wertungen des Gesetzes zurückführen läßt. Sie führen hier die §§ 1615 II, 1968 BGB ins Feld und meinen, die von Ihnen postulierte rechtsökonomische Perspektive sei gerade in diesen Vorschriften verankert. Diese These erscheint mich doch sehr voraussetzungsvoll, wenn nicht gar angreifbar. Denn sie fußt auf der Prämisse, daß der Staat die Beerdigungskosten den Erben bzw. nachrangig den unterhaltspflichtigen Angehörigen zuweist, weil er sie anderweitig selbst tragen müßte. Den Nachweis, daß der Staat die Beerdigungskosten andernfalls selbst tragen müßte, sind Sie indes schuldig geblieben.

2. Sie lesen in meine Stellungnahme einen Gedankengang hinein, der sich dort nicht einmal in Ansätzen findet (soviel zum Thema Lesekompetenz): Ich habe mich mit keinem Wort auf die Haftungsbegrenzung der Erben beim Regreß der Staatskasse in § 1836e I 2 BGB berufen. Deshalb greift Ihre daran anknüpfende Kritik ins Leere.

3. Allerdings dringt in Ihrem Gedankengang zu § 1836e I 2 BGB eine Überlegung zum Vorschein, über die es sich durchaus nachzudenken lohnt. Ich versuche den Gedankengang mit eigenen Worten zu formulieren (wobei ich nicht sicher bin, inwiefern das Folgende Ihnen zuzuschreiben und inwiefern es von mir interpoliert ist):
a) Nimmt die Staatskasse die Erben in Regreß, so haften diese nur mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses.
b) Der Wert des Nachlasses ist in diesem Zeitpunkt noch nicht durch die Kosten der Bestattung gemindert.
c) Wenn aber die Erben im Innenverhältnis der Regreßhaftung gegenüber der Staatskasse die Bestattungskosten nicht entgegensetzen können, kann sich auch der Betreuer im Außenverhältnis gegenüber der Staatskasse nicht auf die Minderung des Nachlaßwertes durch die Beerdigungskosten berufen. Der Fehler in diesem Gedankengang liegt in meinen Augen in Gedankenschritt b). Denn wenn jemand stirbt, steht fest, daß er angemessen und würdevoll bestattet werden muß. Der Wert des Nachlasses ist daher bereits gegenwärtig durch eine dem Grunde nach feststehende und lediglich noch in der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit belastet. Daß hierin eine bereits im Zeitpunkt des Erbfalls gegenwärtige und nicht etwa erst zukünftige Minderung im „Wert des Nachlasses“ liegt, mag eine handelsrechtliche Parallelbetrachtung verdeutlichen: Für – sei es dem Grunde, sei es der Höhe nach – ungewisse Verbindlichkeiten ist auf der Passivseite eine Rückstellung zu bilden, die den im Wege der Bilanzierung zu ermittelnden Wert des Vermögens bereits gegenwärtig mindert. Der soeben beschriebene Gedankengang überzeugt mich also im Ergebnis nicht. Ungeachtet dessen möchte ich aber festhalten: Wenn das LG Köln seine Entscheidung so begründet hätte wie soeben beschrieben, hätte ich sie nicht auf dieser Seite veröffentlicht. Leider findet sich in jener Entscheidung nicht auch nur der Ansatz eines derart schlüssigen Gedankengangs.

4. Ich bleibe nach alledem dabei: Das LG Köln hat sich über einen eindeutigen Gesetzeswortlaut hinweggesetzt, weil es sich geweigert hat, diesen zur Kenntnis zu nehmen. Die von Ihnen geforderte Entschuldigung wird es daher nicht geben.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Schwab

  • Univ.-Prof. Dr. Martin Schwab
    Am 1. Oktober 2012 um 15:21 Uhr

Sehr geehrte/r Herr/Frau Keller,

Die Entscheidung des LG Köln verdient deshalb so nachdrückliche Kritik, weil das
Gericht nicht einmal versucht, die Vorschrift des § 1615 II BGB zur Kenntnis zu
nehmen und angemessen auszuwerten. Hätte das LG Köln sich mit dem Regelungsgehalt
dieser Vorschrift näher auseinandergesetzt und einen plausiblen Gedankengang
entfaltet, weswegen der Nachrang der unterhaltsrechtlichen Kostenhaftung hier nicht
greift, so hätte ich das getan, was Sie mir vorschlagen: Ich hätte mich in der
Fachpresse geäußert. Verantwortungsvolle juristische Arbeit heißt eben auch, daß man
sich nicht allzu schnell mit seinem Arbeitsergebnis zufriedengibt. Eben diesen
Vorwurf muß sich aber nach meinem Eindruck das LG Köln gefallen lassen.

Da Sie auf Kommentar Nr. 1 rekurrieren: Die Überlegungen dieses Kommentators beruhen
auf in mehrfacher Hinsicht lückenhaften Gedankengängen. Ich darf Sie auf meine
Erwiderung zu diesem Kommentar verweisen.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Schwab

  • rasmus
    Am 16. Oktober 2012 um 21:12 Uhr

Sehr geehrter Herr Professor Schwab,

ich denke, wir missverstehen einander, weil wir Voraussetzungen, von denen wir als Sender/Schreiber ausgehen, als so banal und selbstverständlich ansehen, dass wir sie nicht explizit erläutern und uns nicht vorstellen können, dass der Empfänger/Leser das nicht so versteht. Der Empfänger muss dann interpretieren (gehört zur Lesekompetenz), und das kann schief gehen. Ob das an mangelnder Lese- oder Schreibkompetenz liegt, spielt keine Rolle, entscheidend ist, dass Sender und Empfänger erkennen und deutlich machen, wo die Kommunikation hakt und gemeinsam „nachbessern“. Hierzu möchte ich beitragen.

1. Sie rügen, dass ich mich mit Ihrer „zentralen These“ zum Nachrang der unterhaltsrechtlichen Haftung nur am Rande beschäftigt habe. Das hat mehrere Gründe:
a. Ihre weitere, m. E. weit zentralere These, der Gesetzgeber wolle gerade nicht, dass die Erben den Betreuer aus eigener Tasche bezahlen, erschien mir auf den ersten Blick absurd und damit interessanter und kritikwürdiger.
b. Ich habe einfach nicht verstanden, welche Rolle das Rangverhältnis der Haftungsregelungen Ihrer Meinung nach für das Ergebnis haben sollte. Aber vielleicht erklären Sie es mir? Ich selbst verstehe den Hinweis des Gerichts auf die unterhaltsrechtliche Haftung als Alternativ- bzw. Hilfsbegründung: Selbst wenn sich der Erbe wegen Mittellosigkeit des Nachlasses der Haftung für die Bestattungskosten entziehen kann, bleibt die unterhaltsrechtliche Haftung, und bei der spielt die Mittellosigkeit des Nachlasses keine Rolle. Anders formuliert: Wenn man die Mittellosigkeit verneint, muss der Erbe die Beerdigungskosten als Erbe tragen. Wenn man sie bejaht (und als relevant ansieht), muss der Erbe sie bei Personenidentität als Unterhaltspflichtiger zahlen.
c. Wenn Sie tatsächlich gute Gründe dafür haben, dass das Ergebnis davon abhängen sollte, ob es eine gleichrangige oder nur eine nachrangige weitere Haftungsanknüpfung gibt, wäre es interessant zu erfahren, wie sich ihrer Meinung nach die weitere bestattungsrechtliche Haftung der Abkömmlinge bei Personenidentität auswirkt, denn diese ist mit Sicherheit nicht nachrangig.

Weiter bemängeln Sie, meine Prämisse, der Staat müsse die Beerdigungskosten selbst tragen, als angreifbar und nicht nachgewiesen. Mir erscheint es als selbstverständlich, dass der Staat aus gesundheitspolizeilichen Erwägungen gefordert ist, wenn sich niemand um einen Toten kümmert und dann erst einmal die Kosten hat. Und darauf sitzen bleibt, wenn es keine Kostentragungsregelung gibt. Wer trägt ihrer Meinung nach die Kosten, wenn sich sonst niemand findet?

2. Sie haben vollkommen Recht: In Ihrer Rezension findet sich kein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass Sie Ihre These, der Gesetzgeber wolle gerade nicht, dass die Erben den Betreuer aus eigener Tasche bezahlen § 1836e I 2 BGB entnehmen. Vielmehr ist diese These für mich das große Mysterium Ihrer Rezension, denn ich kann Ihren Ausführungen nicht entnehmen, wie Sie darauf gekommen sind. Die Betreuervergütung schuldet der Betreute. Stirbt er, wird die Schuld zur Nachlassverbindlichkeit, und für die haftet der Erbe grundsätzlich unbegrenzt, also auch aus der eigenen Tasche. Warum und vor allem wo sollte der Gesetzgeber das ausgerechnet für die Betreuervergütung anders geregelt haben? Nachlassinsolvenz- oder -verwaltung haben wir nicht, die Einrede der Dürftigkeit hat der Erbe ebenfalls nicht erhoben, sondern sich gar nicht geäußert, ein Gläubiger wie der Betreuer kann keine Dürftigkeitseinrede erheben. Außerdem gäbe es in diesen Fällen kein Schonvermögen, dessen Berücksichtigung Sie ausdrücklich als korrekt bezeichnen. Mir fiel, auch wegen dieser Erwähnung des Schonvermögens, nur § 1836e I 2 BGB ein, aber wenn Sie das verneinen, muss ich das akzeptieren, denn es ist ja Ihre Rezension. Doch dann bleibt die entscheidende Frage: Woher soll eine solche Haftungsbeschränkung für die Betreuervergütung denn sonst kommen?

3. Über meinen weiteren Gedankengang zu § 1836e I 2 BGB nachzudenken lohnt sich im vorliegenden Fall eigentlich nur, wenn man mit dieser Vorschrift über eine Analogie die von Ihnen postulierte Haftungsbegrenzung herleiten will. Lehnt man das, wie wir es offensichtlich beide tun, ab, kommt man gar nicht zu dieser Frage. Denn wenn die Vorschrift nicht einschlägig ist, braucht man sie auch nicht anzuwenden. Einigen wir uns darauf, dass beides zumindest vertretbar ist? Oder wenn Sie streiten wollen: Welchen Sinn ergibt die Formulierung “Wert im Zeitpunkt des Erbfalls”, wenn Sie die spätere ungewisse Entwicklung nach bilanzrechtlichen Bewertungsregeln einbeziehen wollen? Hätte man es dann nicht bei der sonst üblichen Haftungsbeschränkung „auf den Nachlass“ belassen können/müssen?

4. Sie erheben gegenüber den Kölner Richtern den Vorwurf der „krassen Rechtswidrigkeit“, bzw. dass deren Anwendung des materiellen Rechts in der Entscheidung unter keinem Aspekt nachvollziehbar ist. Das ist ein weit heftigerer Vorwurf, als er in kritischen Entscheidungsbesprechungen in Fachzeitschriften erhoben wird. M. E. muss daher nicht nur die grundsätzliche Kritik, sondern auch der zusätzliche Vorwurf mindestens ebenso sorgfältig und wissenschaftlich abgesichert werden und das vermisse ich in Ihrer Rezension, denn Ihre Ausgangsthese, der Gesetzgeber wolle gerade nicht, dass die Erben den Betreuer aus eigener Tasche bezahlen, war und ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt für Ihre These zur Bedeutung des Rangverhältnisses der Haftungsregeln. Und eine Entschuldigung bei den gescholtenen Richtern halte ich schon dann für angebracht, wenn sich die Entscheidung doch irgendwie als vertretbar herausstellt. Da Sie das Argument, der Staat solle die Beerdigungskosten nicht über die Betreuung mitfinanzieren als im Ansatz hörenswert und lediglich angreifbar bezeichnen, ist es, auch wenn es Sie letztlich gar nicht überzeugt, doch wohl zumindest noch nachvollziehbar und die Entscheidung (die dieses Argument im Ansatz enthält) damit nach Ihrer eigenen Definition nicht mehr krass rechtswidrig.

Mit freundlichen Grüßen
Rasmus

  • Dr. Irmela Nagel
    Am 29. Oktober 2012 um 17:18 Uhr

Im Zusammenhang mit der konkreten Entscheidung ist noch anzumerken, dass die Angehörigen, die zunächst die Bestattung veranlasst haben und zu dieser Zeit als Erben angesehen wurden, innerhalb der Sechs-Wochen-Frist wirksam die Erbschaft ausgeschlagen haben.

Für den Betreuer gab es also gar keinen Ansprechpartner mehr, gegenüber dem er seinen Anspruch geltend machen konnte, nachdem das Gericht ihm den Beschluss übersandt hatte, gemäß welchem er seine Vergütung gegenüber dem Nachlass hätte geltend machen können – wenn auf dem Konto noch ein Guthaben vorhanden gewesen wäre.

  • Dr. Irmela Nagel
    Am 30. Oktober 2012 um 13:25 Uhr

Zur Höhe der Bestattungkosten ist noch folgendes anzumerken:

Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil vom 18.3.2008 (B 8/9b SO 9/06 R) den Bestattungsvorsorgevertrag in Höhe von 6.000 Euro bei einer Sozialhilfeempfängerin als geschütztes Vermögen betrachtet und dabei u.a. auf auf ein Urteil des BVerwG vom 11. Dezember 2003 (5 C 84. 02 -, FEVS 56, 302 ff) verwiesen, in dem „dem Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, Rechnung getragen und Vermögen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag sowohl für eine angemessene Bestattung als auch für eine angemessene Grabpflege als Schonvermögen im Sinne der Härtefallregelungen angesehen“ wurde. Dieser Rechtsprechung hat sich der BSG-Senat angeschlossen.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Überlegungen kann man es den Angehörigen kaum verargen, wenn sie mit dem vorgefundenen Vermögen der Verstorbenen für eine angemessene Bestattung sorgen. Man kann es aber dem Gericht verargen, dass es dem rechtstreuen Betreuer seine Vergütung nicht aus der Staatskasse zahlt, wenn es ihm erst nach zwei Monaten einen Vergütungsbeschluss gegen den Nachlass übersendet und zuvor selbst keine Machtmittel hat, dafür Sorge zu tragen, dass bis zum Vorliegen dieses Beschlusses genügend Geld auf dem Nachlasskonto verbleibt.

Diese Rechtsprechung hat zur Folge, dass Betreuer – soweit sie es nicht ohnehin schon getan haben – bei Betreuten, die Vermögen über dem Schonbetrag haben, bei Kenntnis des Todes Verrechnungsgeld in Höhe der ausstehenden Vergütung entnehmen, das sie dann nach Eingang des entsprechenden Beschlusses „verrechnen“. Man treibt Berufsbetreuer hier in eine rechtliche Grauzone – denn nach dem Tod eines Betreuten dürfen sie natürlich nicht mehr über dessen Konto verfügen. Der Betreuer im konkreten Fall musste seine Vergütung endgültig abschreiben.

  • A.E.
    Am 22. November 2014 um 16:10 Uhr

Ich stimme dem Kommentator zu, dass im Ergebnis der Staat die Betreuungskosten tragen müsste. Die zentrale Frage, ob der Nachlass mittellos war, ist vom Gericht erst völlig überfrachtet und zu guter Letzt dann auch noch falsch beantwortet worden. Die Gerichte kreisen so sehr um das Verhältnis zwischen dem Staat und den Kindern des Erblassers, dass sie die Auslegung der Anspruchsgrundlage des Betreuers aus dem Auge verloren haben. So ein Missverhältnis hauen Korrektoren schon Studenten um die Ohren.

Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung waren die Beerdigungskosten offensichtlich schon bezahlt. Das Geld war also schlicht nicht mehr da und der Nachlass sogar noch mit weiteren Ansprüchen belastet. Damit musste die Frage der Mittellosigkeit des Nachlasses im Sinne des § 1835 IV BGB erst einmal klar bejaht werden, es sei denn, der Nachlass – und nicht etwa der Betreuer – hätte seinerseits noch realistisch zu verwirklichende Ansprüche, die dies aufwiegen würden.

Offensichtlich gehen die Gerichte davon aus, dass solche Ansprüche noch bestehen könnten. Prof. Schwab hat völlig recht, dass es dann wohl verlangt werden kann, dass ein Gericht die Anspruchsgrundlage konkret benennt. Weder geschieht dies, noch wäre ein solche ersichtlich.

§ 1615 II BGB gibt nämlich umgekehrt dem Unterhaltsverpflichteten das Recht, die Kosten der Beerdigung vom Erben – mithin dem Nachlass – zu erlangen. Genau das haben die Erben getan, jedem Rückforderungsanspruch stünde also der „dolo petit“-Einwand entgegen.

Rechtlich nicht verantwortlich ist der Unterhaltspflichtigte für die anderen Nachlassverbindlichkeiten, also muss er sicher auch nicht zuwarten, ob solche womöglich vorher befriedigt werden können. Dass die Beerdigungskosten umgekehrt sogar Vorrang genießen sollen, entspricht der klaren Wertung des Gesetzgebers, der sie im Falle der Nachlassinsolvenz gemäß § 324 I Nr. 2 InsO zu Masseverbindlichkeiten erklärt hat. Wenn schon ein Insolvenzverwalter die Beerdigungskosten ausgleichen müsste, bevor er den Betreuer und die Rentenversicherung auch nur anteilig bezahlt, kann von den Unterhaltspflichtigen wohl kaum gegenteiliges verlangt werden, die ihrerseits einen gesetzlichen Freistellungsanspruch gegen den Nachlass haben.

Die Urteile stellen diese Wertung auf den Kopf. Deutlich erkennbar ist der eigentliche Grund für die Entscheidung wertender Natur: der Staat solle nicht „mittelbar für die Beerdigung“ aufkommmen. Nur tut er das gar nicht, er soll nur den Betreuer bezahlen, der eine genuin staatliche Fürsorgepflicht wahrgenommen hat. § 324 InsO zeigt ja, dass die Beerdigungskosten den Nachlass so unmittelbar mindern, dass sie gerade nicht in Konkurrenz zu anderen Verbindlichkeiten treten sollen. Demgegenüber stünden die Ansprüche des Betreuers gegen den Nachlass sogar noch in Konkurrenz zu denen der Rentenversicherung.

Abgesehen von den systematischen Schwäche der Argumentation haben die Gerichte vorliegend den Betreuer im Regen stehen lassen, was völlig offensichtlich Sinn und Zweck von § 1835 Abs. 4 BGB widerspricht, der genau das unbedingt vermeiden soll. Kann der Mündel – bzw. hier der Nachlass – nicht zahlen, tritt der Staat ein.

Die ganzen Darlegungen zur Frage, ob die Kinder die Beerdigung ohne Zugreifen auf den Nachlass bezahlen hätten müssen, sind rechtlich völlig irrelevant. Darauf käme es nur an, wenn entweder der Betreuer oder doch der Nachlass einen Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten gegen die Kinder hätten.

Das Resultat ist also, dass zwar nicht der Staat die Beerdigung bezahlen musste, sondern – zumindest mit einem Anteil von 792,00 € – der Betreuer. Vor lauter Sorge um das Staatssäckel hat man den Betreuer um den Lohn seiner Arbeit gebracht.

Ich finde schon, dass man das skandalös nennen darf.

  • R. Neumann
    Am 30. Dezember 2014 um 19:26 Uhr

Der Kommentator hat recht – es besteht kein Grund zur Professorenschelte. Amtsgericht wie Landgericht haben den Nachrang der Unterhaltspflichtigen (§ 1615 II BGB) gegenüber dem vorrangig zur Tragung der Beerdigungskosten verpflichteten Erben (§ 1968 BGB) außer Acht gelassen. Für die Betreuungskosten steht ohnehin nur der Nachlass zur Verfügung – die Unterhaltsschuldner müssen den Nachlass nicht für die Betreuungskosten auffüllen. Allenfalls für die Beerdigungskosten (und nur für diese) haften sie ersatzweise, also – siehe oben – allenfalls nachrangig. Denn grundsätzlich endete ihre Unterhaltspflicht bereits mit dem Tod des Erblassers, § 1615 Abs. 1 BGB.

Das Bemühen von Amts- und Landgricht, die Staatskasse vor Betreuungskosten zu bewahren, ist unübersehbar. Dabei ist die Staatskasse in dieser Konstellation gar nicht schutzwürdig, wie eine Kontrollüberlegung zur Erbschaftssteuer zeigt: Nach der Logik des Landgerichts müssten Beerdigungskosten von dem Erbe (das ja bereits mit dem Tod, also vor der Beerdigung anfällt) nicht abzusetzen sein, weil dafür eigentlich die (früheren) Unterhaltsschuldner geradezustehen haben. Der Staat lässt aber die Absetzung der Beerdigungskosten vom Wert des Nachlasses für die Berechnung der Erbschaftssteuer ausdrücklich zu, § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (ohne Nachweis schon mal pauschal 10.300 €). Was dem Finanzamt recht ist, sollte dem Rechtspfleger für Betreuungskosten billig erscheinen. Aber das ist wahrscheinlich schon zu sehr um ie Ecke gedacht.

  • Schulze
    Am 16. Februar 2015 um 17:36 Uhr

Doch, es besteht Anlass zur Professorenschelte. Beide Auffassungen sind ohne Weiteres vertretbar. Und damit ist die Bewertung „krasses Fehlurteil“ offenkundiger Unsinn. Geradezu lächerlich ist die Kritik, dass die Gerichte keine Paragrafen genannt hätten. Das müssen Richter auch nicht. Sie schreiben schließlich nicht Klausuren an der Uni.